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5.5.2005

Extreme Programming:
Auf ein Neues

InfoWeek 9/2005

von Frank Westphal und Tammo Freese
erschienen in der InfoWeek 09/2005

Vor noch fünf Jahren galten seine Ideen zur Softwareentwicklung als unglaublich extrem. Heute sind viele der Extreme Programming (XP) Praktiken akzeptiert. Mit einer von Grund auf neu geschriebenen, zweiten Auflage seines Bestsellers "Extreme Programming Explained" zeichnet Kent Beck ein aktuelles Bild: Die vielleicht effektivste und zugleich menschlichste Softwareentwicklungsmethodik ist gerade noch effektiver und menschlicher geworden.

Das neue Extreme Programming schlägt leisere Töne an. Die Kinderkrankheiten hat es hinter sich gebracht, es ist erwachsen geworden. Im Kern finden sich nach wie vor die vier groß geschriebenen Werte: Einfachheit, Kommunikation, Feedback und Mut. Schon seit frühesten Tagen lag XP als fünfter Wert Respekt zu Grunde, der in der neuen Fassung nun explizit seinen Einzug ins Wertesystem feiert.

Mehr pragmatisch und weniger dogmatisch

Die wohlbekannten XP-Praktiken sind aus den gesammelten Erfahrungen der vergangenen Jahre sowohl verbessert, vereinfacht und konkretisiert als auch verallgemeinert worden. Fanden sich im ursprünglichen XP nur ein Dutzend Praktiken, hat sich die Anzahl mit der Überarbeitung verdoppelt. Der Grund zur scheinbaren Zunahme der schlanken Methode ist, dass die Menge der Praktiken jetzt in Pflicht und Kür aufgeteilt ist: Während die primären Praktiken meist isoliert anwendbar sind und deshalb in jedem Prozess zu einer sofortigen Verbesserung führen können, setzen die weiterführenden Praktiken auf den Grundstock auf und führen den agilen Prozess schließlich an seine Leistungsgrenzen. Nichtzuletzt durch diese Abschwächung gelingt es dem runderneuerten XP, einerseits die Eingangsschwelle für jedermann zu senken und andererseits in Anwendungsbereiche vorzudringen, für die es initial nicht geeignet schien. Als Beispiele seien hier nur große und verteilte Projekte genannt.

Bei Programmierern beliebt

Vieles hat sich durch XP verändert: Einige XP-Praktiken werden mittlerweile im Studium vermittelt. Automatisiertes Testen ist zum festen Bestandteil der Entwicklungskultur geworden. Zur inkrementellen Verbesserung des Softwaredesigns stehen Entwicklungsumgebungen mit automatisierter Refactoringunterstützung zur Verfügung. Und Pair Programming wird heute viel einfacher akzeptiert. Während sich das leichtgewichtige XP bislang nicht gegen schwergewichtige Prozesse durchsetzen konnte, scheint es vor allem in kleineren Unternehmen Erfolg zu haben. Der Grund dafür ist sicherlich, dass dem vorherrschenden chaotischen "Code und Fix" Vorgehen vieler Softwareunternehmen mit XP's gesundem Menschenverstand schnell zu einem massiven Produktivitätsgewinn verholfen werden kann.

Im Management wenig Durchdringung

War XP auch die erste agile Methode, die von einer breiten Masse wahrgenommen wurde, steht ihr Bekanntheitsgrad in keinem Verhältnis zu ihrem Verbreitungsgrad. Ganz anders sah dies aus, als das erste Buch erschien. Zu Zeiten der Dotcom-Ära gedieh XP überaus prächtig, schließlich passte seine Philosophie hervorragend in die damalige Projektlandschaft von kleinen schnellen Teams in einer Welt mit sich rapide verändernden Anforderungen. Mit dieser Ära ging teils auch der für innovative, sich selbst organisierende Projektteams nötige kulturelle Nährboden verloren. Die Verbreitung von XP fand darin ihre organisatorischen Grenzen. Und während der Name gerade in Programmiererkreisen große Aufmerksamkeit erzeugte, stieß er im Management übel auf. Zudem war XP aus Sicht der Programmierer beschrieben, so dass die Änderungen in der Projektabwicklung aus Management- und Kundensicht nicht als Chancen, sondern lediglich als Risiken wahrgenommen wurden. Dieses Bild will mit dem neuen XP korrigiert werden. Denn mit seinem erweiterten Rollenmodell werden auch Nicht-Programmierer in das XP-Team eingebunden.

Lean Thinking

Auffällig ist, wie viele Anleihen aus dem Lean Manufacturing herausgearbeitet wurden. Gerade die Parallelen zum Toyota Produktionssystem, der Just in Time Fertigungsstrategie des führenden japanischen Autobauers, können ein Weg sein, den XP-Ideen im Management zu einer höheren Akzeptanz zu verhelfen. Über viele Jahre standen nur solche Fragen wie die Effizienz von Pair Programming, Testgetriebener Entwicklung oder eines Kunden vor Ort im Zentrum der Diskussion. Dabei bekäme es der weiteren Akzeptanz besser, würde sich die Aufmerksamkeit in heutigen Zeiten des Kostendrucks mehr auf übergeordnete Themen wie Wertschöpfungsketten, Return on Investment, Zero Defects und Time to Market verlagern. Denn durch die Einführung neuer Praktiken wie der Ursachenforschung zur Fehlerprävention sowie der Anwendung der Theory of Constraints zur Vermeidung von Flaschenhälsen gelingt es XP, die nötige, am japanischen Kaizen orientierte Philosophie der kontinuierlichen Prozessverbesserung zu etablieren. Wie weit man jedoch mit dem extremen Programmieren gehen will, bleibt insbesondere nach Aufweichung der Praktiken jedermann selbst überlassen. XP stellt in sich eh kein Ziel dar, sondern ist und bleibt ein Weg zur Verbesserung der Softwareentwicklung.

26.8.2001

Extreme Programming

Extreme Programming (XP) ist ein agiler Softwareentwicklungsprozess für kleine Teams. Der Prozess ermöglicht, langlebige Software zu erstellen und während der Entwicklung auf vage und sich rasch ändernde Anforderungen zu reagieren. XP-Projekte schaffen ab Tag eins Geschäftswert für den Kunden und lassen sich fortlaufend und außergewöhnlich stark durch den Kunden steuern.

Im Kern beruht XP auf den Werten Kommunikation, Einfachheit, Feedback, Mut, Lernen, Qualität und Respekt. XP erfordert Disziplin und Prinzipientreue. Die beschriebenen XP-Techniken sind jedoch wirklich nur die Startlinie. Das Ziel ist es, den Entwicklungsprozess an die örtlichen Begebenheiten anzupassen und fortlaufend zu verbessern.

Techniken für ein XP-Team

Ein XP-Team besteht aus zwei bis etwa zwölf Programmierern, einem Kunden oder mehreren direkten Anprechpartnern auf Kundenseite und dem Management. Ferner erfordert der Prozess die Rollen des Trainers und Verfolgers. Der Trainer bespricht mit dem Team die diszipliniert einzuhaltenden Techniken und erinnert das Team, wenn es die selbstgewählten Regeln verletzt. Der Verfolger nimmt regelmässig den aktuellen Status und die geleisteten Programmieraufwände auf, um so zuverlässige Geschichtsdaten über das Projekt zu erhalten. Zu beachten ist, daß der Kunde in der Regel weder den Geldgeber noch den wirklichen Endanwender darstellt.

Offene Arbeitsumgebung

Das Team arbeitet zusammen in einem größeren Raum oder eng aneinander grenzenden Räumen. Typischerweise ist der "Kriegsraum" mit Wandtafeln und unzähligen Flipcharts ausgestattet. Die Arbeitstische stehen meist dicht beieinander im Kreis mit den Monitoren nach außen gerichtet und sind so gestaltet, daß zwei Programmierer zusammen bequem an einem Computer arbeiten können.

Kurze Iterationen

Die Entwicklung erfolgt in Perioden von ein bis drei Wochen. Am Ende jeder Iteration steht ein funktionsfähiges, getestetes System mit neuer, für den Kunden wertvoller Funktionalität.

Gemeinsame Sprache

Das Team entwickelt in seiner Arbeit ein gemeinsames Vokabular, um über die Arbeitsweisen und das zu erstellende System diskutieren zu können. Die Kommunikation im Team erfolgt stets offen und ehrlich.

Retrospektiven

Jede Iteration endet damit, in einem Rückblick über die eigenen Arbeitsweisen kritisch zu reflektieren und im Team zu diskutieren, was gut lief und was in Zukunft anders angegangen werden muß. Typischerweise werden aus den Dingen, die während dieser Team-Reviews zur Oberfläche kommen, Regeln generiert, vom Team akzeptiert, auf Poster geschrieben und im Projektraum zur Erinnerung an die Wand geheftet. Ein- oder zweimal jährlich macht das Team für zwei Tage einen gemeinsamen Ausflug, um in einem Offsite-Meeting formal vor- und zurückzublicken.

Tägliches Standup-Meeting

Der Tag beginnt mit einem Meeting, das im Stehen gehalten wird, damit es kurz und lebendig bleibt. Jedes Teammitglied berichtet reihum, an welcher Aufgabe er gestern gearbeitet hat und was er heute machen wird. Probleme werden genannt aber nicht gelöst. Die meisten Teams treffen sich vor der Wandtafel ihrer Iterationsplanung.

Techniken für die Kunden

Benutzergeschichten

Die Kunden halten ihre Anforderungen in Form einfacher Geschichten auf gewöhnlichen Karteikarten fest. Jeder geschriebenen Story-Karte kommt das Versprechen nach, den genauen Funktionsumfang zum rechten Zeitpunkt im Dialog mit den Programmierern zu verfeinern und zu verhandeln.

Iterationsplanung

Jede Iteration beginnt mit einem Planungsmeeting, in dem das Kundenteam seine Geschichten erzählt und mit dem Programmierteam diskutiert. Die Programmierer schätzen den Aufwand grob ab, den sie zur Entwicklung jeder einzelnen Geschichte benötigen werden. Die Kunden wählen in Abhängigkeit der Aufwandsschätzungen den Kartenumfang für die Iteration aus, der ihren Geschäftsgegenwert maximieren würde. Die Programmierer zerlegen die geplanten Geschichten am Flipchart in technische Aufgaben, übernehmen Verantwortung für einzelne Aufgaben und schätzen deren Aufwände vergleichend zu früher erledigten Aufgaben. Aufgrund der genaueren Schätzung der kleinen Aufgaben verpflichten sich die Programmierer auf genau soviele Geschichten, wie sie in der vorhergehenden Iteration entwickeln konnten. Diese Planungsspiele schaffen eine sichere Umgebung, in welcher geschäftliche und technische Verantwortung zuverlässig voneinander getrennt werden.

Anforderungsdefinition im Dialog

Das für die anstehenden Programmieraufgaben nötige Verständnis der Anforderungen wird fortlaufend in der Konversation mit den Kunden geprüft und vertieft. In kurzen Designsessions wird unter Umständen auf eine der Wandtafeln ein wenig UML gemalt oder es werden Szenarien mit Hilfe von CRC-Karten durchgespielt. Während der gesamten Entwicklung dienen die Kunden als direkte Ansprechpartner zur Bewältigung fachlicher Fragen. Die verbleibende Zeit verbringen die Kunden mit dem Schreiben und Ergründen neuer Benutzergeschichten und Akzeptanztests.

Akzeptanztests

Die Kunden spezifizieren während der Iteration funktionale Abnahmekriterien. Typischerweise entwickeln die Programmierer ein kleines Werkzeug, um diese Tests zu kodieren und automatisch auszuführen. Spätestens zum Ende der Iteration müssen die Tests erfüllt sein, um die gewünschte Funktion des Systems zu sichern.

Kurze Releasezyklen

Nach ein bis drei Monaten wird das System an die wirklichen Endanwender ausgeliefert, damit das Kundenteam wichtiges Feedback für die Weiterentwicklung erhält.

Techniken für die Entwicklung

Programmieren in Paaren

Die Programmierer arbeiten stets zu zweit am Code und diskutieren während der Entwicklung intensiv über Entwurfsalternativen. Sie wechseln sich minütlich an der Tastatur ab und rotieren stündlich ihre Programmierpartner. Das Ergebnis ist eine höhere Codequalität, grössere Produktivität und bessere Wissensverbreitung.

Gemeinsame Verantwortlichkeit

Der gesamte Code gehört dem Team. Jedes Paar soll jede Möglichkeit zur Codeverbesserung jederzeit wahrnehmen. Das ist kein Recht sondern eine Pflicht.

Erst Testen

Gewöhnlich wird jede Zeile Code durch einen Testfall motiviert, der zunächst fehlschlägt. Die Unit Tests werden gesammelt, gepflegt und nach jedem Kompilieren ausgeführt.

Design für heute

Jeder Testfall wird auf die einfachst denkbare Weise erfüllt. Es wird keine unnötig komplexe Funktionalität programmiert, die momentan nicht gefordert ist.

Refactoring

Das Design des Systems wird fortlaufend in kleinen, funktionserhaltenden Schritten verbessert. Finden zwei Programmierer Codeteile, die schwer verständlich sind oder unnötig kompliziert erscheinen, verbessern und vereinfachen sie den Code. Sie tun dies in disziplinierter Weise und führen nach jedem Schritt die Unit Tests aus, um keine bestehende Funktion zu zerstören.

Fortlaufende Integration

Das System wird mehrmals täglich durch einen automatisierten Build-Prozess neu gebaut. Der entwickelte Code wird in kleinen Inkrementen und spätestens am Ende des Tages in die Versionsverwaltung eingecheckt und ins bestehende System integriert. Die Unit Tests müssen zur erfolgreichen Integration zu 100% laufen.

Techniken für das Management

Akzeptierte Verantwortung

Das Management schreibt einem XP-Team niemals vor, was es zu tun hat. Stattdessen zeigt der Manager lediglich Probleme auf und läßt die Kunden und Programmierer selbst entscheiden, was zu tun gilt. Dies ist eine große, neue Herausforderung für das Management.

Information durch Metriken

Eine der Hauptaufgaben des Managements ist es, dem Team den Spiegel vorzuhalten und zu zeigen, wo es steht. Dazu gehört unter anderem das Erstellen einfacher Metriken, die den Fortschritt des Teams oder zu lösende Probleme aufzeigen. Es gehört auch dazu, den Teammitgliedern regelmässig in die Augen zu schauen und herauszufinden, wo Hilfe von Nöten ist.

Ausdauerndes Tempo

Softwareprojekte gleichen mehr einem Marathon als einem Sprint. Viele Teams werden immer langsamer bei dem Versuch, schneller zu entwickeln. Überstunden sind keine Lösung für zuviel Arbeit. Wenn Refactorings und Akzeptanztests aufgeschoben werden, muß der Manager dem Team stärker den Rücken freihalten. Wenn Teammitglieder müde und zerschlagen sind, muß der Manager sie nach Hause schicken.

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19.2.2001

XP über die Schulter geschaut

Ein erster Einblick

Wie sieht ein Tag mit Extreme Programming aus? Nun, Sie werden wie gewohnt programmieren. Obwohl, nicht ganz. Sie programmieren mit einem Partner. Sie arbeiten zu zweit an einer kleinen überschaubaren Aufgabe. Die Zerlegung in Aufgaben haben Sie kurz zuvor im Team in einem kurzen Design-Meeting mit dem Kunden diskutiert und geplant. Sie haben die Verantwortlichkeit für eine Reihe von Aufgaben akzeptiert und suchen sich für deren kurze Dauer jeweils einen Programmierpartner.

Bevor Sie gemeinsam zu programmieren beginnen, analysieren Sie und Ihr Partner zunächst, was Ihr Auftraggeber überhaupt an Anforderungen stellt. Dazu möchten Sie unter Umständen direkt mit Ihrem Kunden sprechen. Er arbeitet wenige Meter von Ihnen beiden entfernt im gleichen Büro, damit Fragen des Entwicklungsteams unmittelbar diskutiert werden können.

Jetzt wissen Sie beide, was verlangt wird, und Sie können endlich losprogrammieren. Einen Augenblick. Bevor Sie losprogrammieren, überlegen Sie und Ihr Partner sich zunächst ein Design dafür, wie die Anforderungen überhaupt umgesetzt werden sollen. Dazu schreiben Sie eine Reihe von Testfällen. Anschliessend schreiben Sie den Code, der diese Tests erfüllt. Dabei streben Sie stets die einfachste Lösung an. Testfall für Testfall erhalten Sie grünes Licht und gehen weiter. Die Aufgabe gilt dann als erledigt, wenn Ihnen beiden keine weiteren Tests mehr einfallen, die sich für die aktuellen Anforderungen sinnvoll schreiben liessen.

Wenn alle Ihre Tests erfüllt sind, verlangt XP von Ihnen, den geschriebenen Code noch möglichst zu vereinfachen und sein Design zu verbessern. Der Code darf unter anderem keine duplizierte Logik enthalten und muß jede Intention ausdrücken, die für das Verständnis des Programms notwendig erscheint. Nachdem Sie den Code in Form gebracht haben, lassen Sie Ihre Arbeit durch die Suite aller im Team gesammelten Tests kontrollieren und integrieren schließlich Ihren geschriebenen Code mit den Änderungen Ihrer Teamkollegen. Anschliessend besorgen Sie sich zunächst einmal frischen Kaffee und helfen eventuell direkt Ihrem Partner bei seiner nächsten Programmieraufgabe.

Ein XP-Tag geht schnell vorüber, da Sie den ganzen Tag lang intensiv mit Ihren Kollegen programmiert haben. Das bedeutet nicht etwa, daß Sie Ihrem Partner bei der Arbeit über die Schulter schauen. Im Gegenteil. Im Paar zu programmieren bedeutet aufmerksam in die Programmierepisode involviert zu sein. Sie unterhalten sich über den Code, den sie gemeinsam schreiben. Regelmässig übergeben Sie Ihrem Partner die Tastatur und lassen ihn "fahren". Am Ende eines solchen Tages sind Sie erschöpft und, glauben Sie mir, Sie gehen pünktlich nach Hause, weil Sie acht Stunden lang fokussiert gearbeitet haben und die geschriebenen Tests Ihnen Vertrauen in die geleistete Arbeit geben.

Zugegeben, der Name "Extreme Programming" läßt einen extrem einseitigen Ansatz der Softwareentwicklung vermuten. Auf den zweiten Blick jedoch widmet sich XP sehr viel intensiver der Analyse, dem Design und dem Test als schwergewichtige Methoden. XP bringt uns zurück zu den Wurzeln des Handwerks guter Programmierung und der Fragestellung, was wirklich zählt, wenn wir hochqualitative Software erstellen wollen.

Ich möchte Sie dazu einladen, das Handwerk von XP und das Lebensgefühl eines leichtgewichtigen Prozesses kennenzulernen. Begleiten Sie mich auf den folgenden Seiten durch ein XP-Projekt und schauen Sie dem Team bei der täglichen Arbeit über die Schulter und in die Karten.

Programmieren in Paaren

Die Regel lautet: Wer um Hilfe bittet, dem wird Hilfe geboten. Tatsächlich wird keine Zeile Produktionscode geschrieben, ohne daß zwei Paar Augen auf den Bildschirm gerichtet sind. Das bedeutet, Sie programmieren zu zweit an einem Rechnern mit einer Tastatur und einer Maus. Sie sitzen nebeneinander, führen ein intensives Gespräch über den entstehenden Code und wechseln sich regelmässig an der Tastatur ab. Sie dürfen dabei sogar Spaß haben, denn Programmieren soll Spaß bringen. Sie wechseln häufiger Ihre Programmierpartner und am Ende der Woche haben Sie idealerweise mal mit jedem Ihrer Kollegen zusammengearbeitet, damit sich das aufgebaute Wissen über das gesamte Team verbreitet.

Felix und Ulrich, Dienstag, 1.Iteration, 11.03 Uhr

Ulrich: Was ist unsere Aufgabe?

Felix: Wir müssen die Miete für ausgeliehene DVDs berechnen.

Ulrich: Wie berechnen wir das?

Felix: Der Preis ist abhängig davon, wie lange eine DVD ausgeliehen wird.

Ulrich: Und wie?

Felix: Laß mich mal sehen... Auf unserer Karte steht, reguläre Filme kosten für zwei Tage 2 Euro. Ab dem dritten Ausleihtag dann 1.5 Euro pro Tag.

Ulrich: Okay, wie machen wir das also?

Felix: Mmm, ich schlage vor, wir merken uns zunächst mal, welche Filme ein Kunde ausleiht und berechnen später die Miete anhand der Ausleihtage.

Ulrich: Warum berechnen wir die Kosten nicht auf der Stelle?

Felix: Das ist später vielleicht notwendig, aber momentan ist das keine Anforderung.

Ulrich: Schön, wie soll unsere erste Klasse heissen?

Felix: Spannende Frage... Die Verantwortlichkeiten klingen fast danach, als würde sich die Klasse selbst Customer nennen wollen.

Ulrich: Fangen wir damit mal an.

Felix: Stop mal! Laß uns gleich einen Test dafür schreiben...

Ulrich: Gut, dazu muß unsere Testklasse von TestCase aus dem Test-Framework ableiten.

Felix: Und dann bekommt sie noch einen Konstruktor für den Namen des Testfalls.


public class CustomerTest extends junit.framework.TestCase {
  public CustomerTest(String name) {
    super(name);
  }
}

Testgetriebenes Programmieren

Die anzustrebende Geisteshaltung muß sein, daß eine Funktion solange nicht existiert, bis sie einen automatisierten Test besitzt. Tatsächlich entsteht kein Produktionscode, bevor es nicht einen entsprechenden Testfall gibt, der fehlschlägt. Das bedeutet, Sie schreiben einen Test noch bevor Sie den Code schreiben, der diesen Test erfüllt. Sie erstellen inkrementell eine umfassende Suite von Unit Tests, die das gesamte Programm in isolierten Einheiten auf die erwartete Funktion hin überprüft. Sie verwenden ein Test-Framework, das Ihnen dabei hilft, automatische Tests zu schreiben und auszuführen. Sie sammeln und pflegen diese Tests, damit Sie nach jeder Änderung sicherstellen können, daß die Testsuite zu 100% läuft.

Ulrich: Was ist der erste Testfall?

Felix: Das einfachste wäre, wir fangen mit dem Ausleihen eines Films an.

Ulrich: Und wie?

Felix: Es ist so, daß wir für jede Methode, die funktionieren soll, Zusicherungen schreiben wollen, um die Funktion abzuprüfen.

Ulrich: Dafür ist die assertTrue Methode gedacht, die wir aus TestCase erben.

Felix: Genau. Als Parameter erwartet sie eine Bedingung, die true ergeben muß, damit der Testfall als erfüllt gilt. Den Rest erledigt das Framework.

Ulrich: Und wohin schreiben wir nun den Testcode?

Felix: Am besten schreiben wir dafür eine Testfallmethode testRentingOneMovie, die dann die Mietkosten für den Film testet. Das Framework findet automatisch alle Methoden, die mit test beginnen, und führt sie aus.

Ulrich: Gut, schreiben wir mal auf, was wir bis jetzt wissen. Wir benötigen zunächst mal ein Customer Exemplar. Und dann muß ich so tun, als gäbe es einfach alle Methoden schon, die ich mir wünsche.

Felix: Richtig. Wir leihen eine DVD für einen Tag aus und es soll 2 Euro kosten.

Ulrich: Das ist einfach.


public class CustomerTest...
  public void testRentingOneMovie() {
    Customer customer = new Customer();
    customer.rentMovie(1);
    assertTrue(customer.getTotalCharge() == 2);
  }
}

Möglichst einfaches Design

Die Designstrategie sieht vor, mit einem schlichten Design zu starten und dieses fortlaufend zu verbessern. Tatsächlich werden Designelemente, die komplizierter sind, als momentan unbedingt notwendig wäre, aufgeschoben, selbst wenn nur für wenige Minuten. Das bedeutet, Sie wählen von vielen verschiedenen Lösungswegen denjenigen, der am einfachsten erscheint, um einen Testfall zu erfüllen. Sie programmieren nur, was Sie jetzt tatsächlich benötigen, nicht, was Sie später vielleicht benötigen. Sie gehen sogar soweit, daß Sie unnötige Flexibilität wieder aus dem Code entfernen. Sie treten den Beweis dafür an, daß die aktuelle Lösung zu einfach ist, indem Sie einen Testfall schreiben, der ein komplexeres Design rechtfertigt.

Ulrich: Also gut. Du willst, daß ich nur den Test zum Laufen bringe und alles andere für einen Moment vergesse.

Felix: Ganz genau. Was würdest Du tun, wenn Du nur diesen einen Test implementieren müsstest?

Ulrich: Hah, auch das ist einfach.


public class Customer {
  public void rentMovie(int daysRented) {
  }

  public int getTotalCharge() {
    return 2;
  }
}

Felix: Wie extrem! Aber gut...

Ein wenig Testen, ein wenig Programmieren...

Das Zusammenspiel von testgetriebenem Programmieren und einfachem Design ergibt den Zyklus des minutenweisen Programmierens. Tatsächlich wird nie länger als zehn Minuten programmiert, ohne die Feedbackschleife unmittelbar durch konkrete Tests zu schliessen. Das bedeutet, Sie schreiben neuen Code in so winzigen Schritten, daß Ihr Code gerade mal den aktuellen Testfall erfüllt. Sie testen ein wenig, Sie programmieren ein wenig. Dann testen Sie wieder und programmieren... Minute für Minute feiern Sie einen kleinen Erfolg. Sie schreiben keine ganze Klasse in einem Rutsch. Vielmehr schreiben Sie nur ein paar Zeilen Code, maximal eine Methode auf einmal.

Ulrich: Als nächstes möchte ich zwei und drei ausgeliehene DVDs testen.

Felix: Immer langsam... Schreib erst mal den Test für zwei Filme. Der Zweite wird für zwei Tage entliehen. Die Summe soll 4 Euro betragen. Laß uns dazu die assertEquals Methode benutzen. Als Parameter erhält sie den erwarteten Wert und das tatsächliche Resultat.


public class CustomerTest...
  public void testRentingTwoMovies() {
    Customer customer = new Customer();
    customer.rentMovie(1);
    customer.rentMovie(2);
    assertEquals(4, customer.getTotalCharge());
  }
}

Ulrich: Okay, dieser Test wird nicht laufen.

Felix: Woher weisst Du das? Schau nach, Du weisst nie!

Ulrich: Sagen wir einfach, ich bin mir ziemlich sicher.

Felix: Gut, wenn Du es also weisst und nehmen wir an, der Test zeigt grün, würde das demnach bedeuten, daß entweder unser Test falsch ist oder aber der Code Dinge tut, die er nicht machen darf, richtig? Mach den Test!

Ulrich: Also gut... Der Test zeigt rot.

Felix: Diesmal kommst Du auch nicht mehr so einfach davon...


public class Customer {
  private int totalCharge = 0;

  public void rentMovie(int daysRented) {
    totalCharge += 2;
  }

  public int getTotalCharge() {
    return totalCharge;
  }
}

Evolutionäres Design

Organisches Wachstum scheint eine gute Strategie zu sein, um auf Veränderung und Ungewissheit reagieren zu können. Tatsächlich werden Anforderungsänderungen als Chance und nicht als Problem betrachtet. Das bedeutet, Sie verhalten sich im Design so, als wüssten Sie wirklich nicht, was die nächsten Anforderungen sein würden. Sie entwerfen stets die einfachste Lösung und bringen Ihren Code anschliessend in die einfachste Form. Sie vertrauen auf die Tatsache, daß sauber strukturierter Code in jede Richtung mitziehen kann und daß der Code, den Sie gestern geschrieben haben, Sie heute und morgen dabei unterstützen wird, weiterhin Code zu schreiben, und Sie nicht zunehmend daran hindert.

Ulrich: Was ist der nächste Testfall?

Felix: Ein dritter Film, der drei Tage entliehen wird.

Ulrich: Wieviel kostet der Film, wenn er erst nach drei Tagen zurückgegeben wird?

Felix: Jeder weitere Tag kommt auf 1.5 Euro.

Ulrich: Also 3.5 Euro am Tag drei. Macht zusammen 7.5 Euro. Ausserdem können wir Fließkommazahlen nicht mit unendlicher Genauigkeit vergleichen.


public class CustomerTest...
  public void testRentingThreeMovies() {
    Customer customer = new Customer();
    customer.rentMovie(1);
    customer.rentMovie(2);
    customer.rentMovie(3);
    assertEquals(7.5, customer.getTotalCharge(), 1e-3);
  }
}

Felix: Ab jetzt müssen wir 1.5 Euro draufschlagen.

Ulrich: Das bedeutet auch, daß totalCharge ab sofort Fließkommazahl sein möchte.


public class Customer {
  private double totalCharge = 0;

  public void rentMovie(int daysRented) {
    totalCharge += 2;
    if (daysRented > 2) {
      totalCharge += 1.5;
    }
  }

  public double getTotalCharge() {
    return totalCharge;
  }
}

Felix: Nun meckert aber der Compiler rum... Wir müssen wohl auch unseren vorherigen Testfall zum Vergleich von Fließkommazahlen bringen.


public class CustomerTest...
  public void testRentingTwoMovies() {
    Customer customer = new Customer();
    customer.rentMovie(1);
    customer.rentMovie(2);
    assertEquals(4, customer.getTotalCharge(), 1e-3);
  }
}

Natürlicher Abschluß einer Programmierepisode

Bewußt aufhören zu können ist einer der stärksten Programmierzüge. Tatsächlich ist eine Aufgabe fertig, wenn alle Randbedingungen getestet sind, die dazu führen können, daß etwas schief geht. Das bedeutet, Sie schreiben nicht für jede Methode einen Test, sondern nur für solche, die unter Umständen fehlschlagen könnten. Sie halten Ihr Wissen über den Code fest, während Sie Tests dafür schreiben. Sie wissen, daß Sie erreicht haben, was Sie sich vorgenommen hatten, wenn alle Ihre Tests erfüllt sind. Zum Abschluß sei es Ihnen gegönnt, über Ihre Programmierepisode zu reflektieren. Sie wollen ja schließlich jeden Tag etwas dazulernen.

Ulrich: Ein Film, der vier Tage entliehen wird?

Felix: Kostet 5 Euro und macht dann insgesamt 12.5 Euro.


public class CustomerTest...
  public void testRentingFourMovies() {
    Customer customer = new Customer();
    customer.rentMovie(1);
    customer.rentMovie(2);
    customer.rentMovie(3);
    customer.rentMovie(4);
    assertEquals(12.5, customer.getTotalCharge(), 1e-3);
  }
}

Felix: Laß mich mal tippen!

Ulrich: Okay!


public class Customer...
  public void rentMovie(int daysRented) {
    totalCharge += 2;
    if (daysRented > 2) {
      totalCharge += (daysRented - 2) * 1.5;
    }
  }
}

Felix: So, das hätten wir. Haben wir irgendwelche Tests vergessen?

Ulrich: Müsste mit dem Teufel zugehen...

Refactoring

Gutes Design ist nie einfach und niemand bekommt die Dinge im ersten Versuch in den Griff. Tatsächlich entsteht ein Design durch schrittweises Wachstum und ständige Überarbeitung. Das bedeutet, daß Sie alle Erfahrungen in das Design zurückfliessen lassen und das Design verbessern, nachdem der Code geschrieben wurde. Sie refaktorisieren, um Ihren Code so einfach und so verständlich wie möglich zu machen und jede Art von Redundanz zu beseitigen.

Ulrich: Wenn ich mir unseren Code ansehe, frage ich mich, was die vielen Zahlen bedeuten. Wir sollten denen Namen geben!

Felix: Vorschläge?


public class Customer...
  static final double BASE_PRICE = 2;       // Euro
  static final double PRICE_PER_DAY = 1.5;  // Euro
  static final int DAYS_DISCOUNTED = 2;
}

Ulrich: Eigentlich finde ich die Änderung ja zu klein, um nach jedem Schritt zu testen...

Felix: Du hast Mut, aber wir haben ja noch die Tests...


public class Customer...
  public void rentMovie(int daysRented) {
    totalCharge += BASE_PRICE;
    if (daysRented > DAYS_DISCOUNTED) {
      totalCharge += (daysRented - DAYS_DISCOUNTED) * PRICE_PER_DAY;
    }
  }
}

Ulrich: Irgendwie passen die Konstantennamen nun aber doch nicht mehr zu der Klasse.

Felix: Stimmt, das hat jetzt schon sehr viel mit der eigentlichen Preisberechnung für den Film zu tun.

Ulrich: Ziehen wir eine neue Klasse Movie raus, um dem Ausdruck zu verleihen!?

Felix: Einverstanden, aber erst die Tests...


public class MovieTest extends junit.framework.TestCase {
  public MovieTest(String name) {
    super(name);
  }

  public void testGetCharge() {
    assertEquals(2.0, Movie.getCharge(1), 1e-3);
    assertEquals(2.0, Movie.getCharge(2), 1e-3);
    assertEquals(3.5, Movie.getCharge(3), 1e-3);
    assertEquals(5.0, Movie.getCharge(4), 1e-3);
  }
}

Felix: Die Preisberechnung verschieben wir einfach auf diese Klasse...


public class Movie {
  static final double BASE_PRICE = 2;       // Euro
  static final double PRICE_PER_DAY = 1.5;  // Euro
  static final int DAYS_DISCOUNTED = 2;

  public static double getCharge(int daysRented) {
    double result = BASE_PRICE;
    if (daysRented > DAYS_DISCOUNTED) {
      result += (daysRented - DAYS_DISCOUNTED) * PRICE_PER_DAY;
    }
    return result;
  }
}

Felix: Unser Customer wird dadurch wieder ganz schlank...


public class Customer...
  public void rentMovie(int daysRented) {
    totalCharge += Movie.getCharge(daysRented);
  }
}

Fortlaufende Integration

Neuer Code wird schnellstmöglich in die neueste Version integriert. Tatsächlich wird mehrmals täglich ein getesteter Build des gesamten Programms erstellt. Das bedeutet, daß Sie am Ende jeder Programmierepisode und wenigstens einmal am Tag Ihren geschriebenen Code in das Programm integrieren und versionieren. Sie laden Ihre Änderungen auf einen dedizierten Integrationsrechner, integrieren Ihren Code und beseitigen entstehende Konflikte. Sie führen die Tests aus und geben Ihren Code frei, sobald alle Tests erfolgreich ausgeführt werden. Die gesamte Integrationsprozedur dauert gerade so lange, daß Sie sich eine frische Tasse Kaffee kochen und sie austrinken können.

Felix: Laß uns unseren Code integrieren und Mittag machen!

Ulrich: Milchkaffee oder Chinese?

Nächster Artikel in dieser Serie: Unit Tests mit JUnit

Danksagungen

Leah Striker, Michael Schürig, Meike Budweg, Tammo Freese, Ulrike Jürgens, Hans Wegener, Marko Schulz, Antonín Andert, Manfred Lange und Julian Mack haben das Beispiel entstehen sehen und nützliche Verbesserungsvorschläge gemacht.

Der Ehrentitel eines Meisterrezensenten sei an Rolf F. Katzenberger verliehen.

30.11.2006

Extreme Hour
vs. XP-Game

Nachdem ich am vergangenen Freitag auf dem XPday schon darauf angesprochen wurde und auch Johannes und ich heute noch mal auf das Thema kamen, dachte ich mir, ich poste einfach schnell mehr dazu … vielleicht interessiert's ja noch wen.

Die kürzesten XP-Projekte der Welt

Einen neuen Prozess zu erlernen und gleichzeitig seine Arbeit zu machen, geht häufig nicht so gut zusammen. Zum Lernen gehört Experimentieren und zum Experiment gehört das erlaubte (und irgendwo auch explizit gewünschte) Fehler-machen-dürfen. Ohne das, kein Lerneffekt.

Im XP haben wir schon recht früh auf Simulation und Prozessminiatur gesetzt. Ganz nach dem XP-Prinzip der kleinen Anfangsinvestition kann man so XP spielerisch erfahrbar machen. Um ein ganzes Projekt in einer guten Stunde zu simulieren, gibt es zwei Spielarten. Beide machen sie einen Heidenspaß, fokussieren jedoch auf unterschiedliche Aspekte:

Extreme Hour

Die Extreme Hour (von Peter Merel) dreht 6-7 Iterationen à 10 Minuten. Das Team besteht aus Entwicklern, Kunden, QA, Tracker und Coach. Ihre Aufgabe ist es, z. B. eine bessere Mausefalle zu entwickeln oder einen modernen Haushaltsroboter. Die Arbeitsergebnisse werden typischerweise in Story-Form skizziert, programmiert wird nicht.

Vorteile

  • explizite Teamrollen und -verantwortlichkeiten
  • realistische (wenn auch extreme) Timebox
  • setzt viel Kommunikation voraus
  • produziert natürliche Integrationsaufwände

Nachteile

  • Abnahmekriterien nur relativ vage (man muss sich einigen :-)
  • Iterationen neigen in der XH dazu, den Fokus auf bestimmte Aktivitäten zu lenken, dadurch ein wenig zu wasserfallartig
  • wenig bis gar kein vergleichendes Aufwandsschätzen möglich

XP-Game

Im XP-Spiel (von Vera Peeters und Pascal Van Cauwenberghe) sind die Iterationen noch kürzer: exakt 120 Sekunden. Das Team teilt sich im wesentlichen auf Entwickler und Kunden auf, plus Tracker (mit Stoppuhr). Zu erledigen sind echte, physikalische Aufgaben, wie Kartenhäuser bauen, Luftballons aufpusten oder Rätsel lösen.

Vorteile

  • Aufgaben haben harte Abnahmekriterien
  • trainiert Aufwandsschätzung über mehrere Iterationen

Nachteile

  • weniger Teamarbeit, keine Integration, wenig Kommunikation
  • Iterationen fast zu spielerisch (Aufgaben werden einzeln gestoppt)
  • Aufgaben relativ isoliert voneinander

XP-Programmierpraktiken vermitteln sie beide nicht. Die Extreme Hour konzentriert sich mehr auf Teamrollen, Kommunikation und Integration. Das XP-Game veranschaulicht dagegen besser den Planungsprozess, das vergleichende Schätzen und das "Wetter von gestern". Je nach dem, was im Mittelpunkt stehen soll, wähle man die eine oder andere Simulation. Für alle, die's selbst ausprobieren wollen, viel Spaß:

Materialien

20.11.2006

Breaking News:
Extreme Programmierer zetteln Aufstand an

Einen weiteren kleinen Schatz möchte ich ebenfalls nicht für mich behalten. Im Frühjahr 2001 zettelten Tammo und ich in unseren ersten XP-Vorträgen die große Revolution an. Die ersonnenen Aufstände blieben jedoch aus. Bis heute. Wir waren jünger und naiver. Damals:

XP, der Aufstand der Programmierer?

Wir wollen Qualität abliefern.

Wir wollen wissen, was der Kunde in welcher Reihenfolge entwickelt haben möchte.

Wir wollen Unterstützung von Kollegen und Kunden bekommen, wenn wir sie brauchen.

Wir wollen unsere eigenen Abschätzungen machen und sie aktualisieren dürfen.

Wir wollen Verantwortlichkeit übernehmen und sie nicht zugewiesen bekommen.

XP, der Aufstand der Kunden?

Kunden wollen wissen, was bis wann und zu welchen Kosten erreicht werden kann.

Kunden wollen aus jedem Personentag den maximalen Wert ziehen.

Kunden wollen den Projektfortschritt sehen.

Kunden wollen ihre Meinung ändern können.

Kunden wollen Planänderungen so früh wie möglich erfahren; Kunden sollten jederzeit aussteigen können.

Kunden wollen nicht belogen werden.

20.11.2006

Generative Regeln
schaffen reiches Verhalten

Vor ein paar Tagen habe ich ein paar alte Vortragsfolien wieder entdeckt … die ich überraschend gut finde. Für eine Konferenz im Herbst 2002 in Helsinki hatte ich mich von Dee Hock (Gründer von VISA) anstecken lassen und XP in Form einfacher, generativer Regeln vorgestellt. Hock hat die Chaostheorie auf Organisationen angewandt; heraus kamen chaordische Organisationen (Wortkreuzung aus Chaos und Ordnung) und ein tolles Buch: Birth of the Chaordic Age. Seine Schlussfolgerung war:

Einfache, klare Ziele und Prinzipien führen zu komplexem, intelligenten Verhalten. Komplexe Regeln und Vorschriften führen zu einfachem, dummen Verhalten.

Daraus motiviert habe ich meine damaligen XP-Regeln aufgestellt. Einige klingen aus heutiger Sicht schon gar nicht mehr extrem. Und zu viele sinds. Wobei ich allerdings auch nicht wüsste, was ich weglassen sollte:

program in pairs

motivate each change of program behavior with an automated unit test

refactor the code into its simplest form

integrate your code as often as necessary

check every requirement with an automated acceptance test

ship a working system with new valuable functionality at least every 2 weeks

release the system at least every few weeks to users outside the team

customer is always available to answer questions

whole team works together in an open space area

have a standup meeting every day at the same time

align authority and responsibility

always work on the most important business problem

plan a little bit every day, for the iteration every 2 weeks, for the release every 3 months

design for today

periodically reflect on your process and tune it

always have enough time to complete your job

27.1.2005

Industrial XP

Diese Woche habe ich die OOP-Konferenz in München besucht. Mein Vortrag dort drehte sich um die Fragen:

  • Was hat Extreme Programming (XP) über die bekannten Programmierpraktiken hinaus für Planung und Management von Softwareprojekten zu bieten?
  • Wie hat sich XP aus den Erfahrungen der vergangenen fünf Jahre weiterentwickelt?
  • Was muss man beachten, damit sich Agilität nicht nur im Entwicklungsbereich, sondern im Geschäft selbst niederschlägt?
  • Wie funktioniert XP in größeren Teams und Organisationen?

Darüber hinaus habe ich diskutiert, wie wir Softwareentwicklung als Wertschöpfungsprozess verstehen sollten, was die zweite Auflage von XP an Neuerungen zu bieten hat und was Lean Development bedeutet.

Nachfolgend präsentiere ich einen Abriss der nicht-technischen Praktiken von Industrial XP: Assessments, Business Stories, Charters und mehr.

Was ist Industrial XP?

  • XP für große Teams und Organisationen
    • verfeinert die vorhandenen Praktiken
    • erweitert das Repertoire um neue Praktiken für alle Projektbeteiligten
  • macht implizites XP-Wissen explizit
    • betont immer die Aspekte, die in der Praxis am sträflichsten vernachlässigt werden

Werte und Praktiken

Werte und Praktiken von Industrial XP

 

Readiness Assessment

  • Ist die Project Community und Organisation bereit zur Veränderung?
  • Kann die Project Community mit XP erfolgreich sein?
    • initiale Bewertung
    • ständige Neubewertung

Assessments

  • offene Arbeitsumgebung?
  • Pairingmöglichkeiten? Möbel? Kernzeit?
  • Domänenexperten verfügbar?
  • untestbarer Legacy Code? Refactoringtools?
  • Codeeigentümer?
  • Datenbank zugreifbar? Schema änderbar?

Risk Management

  • Welche Projektrisiken bestehen?
  • Was können wir gegen sie unternehmen?
    • Top 10 technische Risiken
    • Top 10 organisatorische Risiken

Projektrisiken

Risikomatrix
  1. Sind diese Risiken zu hoch, um das Projekt weiterzuführen? Falls nein, wie lassen sich diese Risiken mindern?
  2. Diese Risiken fortlaufend nach Auslösern überwachen, die sie zum größeren Risiko werden lassen.
  3. Nur angehen, wenn nichts besseres zu tun.

Project Chartering

  1. Lohnt sich die Projektidee überhaupt?
  2. Wie wird die Vision/Mission der Organisation durch das Projekt unterstützt?
  3. Woran erkennen wir einen Projekterfolg?
  4. Wer zählt zur Project Community?

Charter

  1. Vision und Mission-Statement
  2. Project Community
  3. Werte
  4. verpflichtete Resourcen
  5. Erfolgsmaßstäbe
  6. Kontextdiagramm

Project Community

  • Wer hat Einfluss auf den Projekterfolg?
  • Wen betrifft das Projekt?
    • häufig ein wesentlich größerer Personenkreis als zunächst angenommen

Werte

  • Welche Werte teilt die Project Community?
  • Sind die Werte mit den XP-Praktiken zu vereinbaren?
    • wenn ja, lassen wir uns in unserem Handeln durch die Werte leiten
    • wenn nein, müssen wir eine andere (agile) Methode in Betracht ziehen

Test-Driven Management

  • Welche Erwartungen an das Projekt bestehen aus Managementsicht?
    • interne Tests: auf Ebene der IT-Abteilung
    • externe Tests: auf Organisationsebene

Business Stories

Apple's Managementtest für den iTunes Music Store:

"Our new service will register at least 1 million song downloads during its first month in production."

SMART: Specific, Measurable, Achievable, Relevant, Time-Based

Retrospectives

  1. Was lief gut, was nicht vergessen werden sollte?
  2. Was haben wir gelernt?
  3. Was sollten wir nächstes Mal anders machen?
  4. Was stört uns immer noch?
  5. Was müssen wir noch näher diskutieren?

Iterationsretrospektiven

Retrospektiveergebnisse

Links

29.3.2008

Tonabnehmer #15: Jutta Eckstein, Johannes Link, Jens Coldewey, Henning Wolf -
7 Jahre Agiles Manifest

Jutta EcksteinJohannes LinkJens ColdeweyHenning Wolf

Im Februar 2001 war das Agile Manifest geboren. In dieser Roundtable-Diskussion machen wir eine Bestandsaufnahme, Reflektion, Analyse: Was haben sieben Jahre Agile Entwicklung gebracht?

Mit dabei: Jutta Eckstein (Blog, Profil), Johannes Link (Blog, Profil), Jens Coldewey (Blog, Profil), Henning Wolf (Blog, Profil)

15.3.2007

5 Minutes Interview
with Martin Wisniowski

Für die 5 Minutes Interviews auf Digital Tools hat mir Martin Wisniowski kurz und bündig einige Fragen gestellt. Als kleine, feine State of the Art Bestandsaufnahmen beschreibt Martin das Konzept der Reihe. Heute: zum Agilen, zum Extremen und zum Dinge-geregelt-kriegen mit GTD. Zum Lesen hier entlang bitte.

5 Minutes Interview mit Martin Wisniowski

27.6.2006

Barcamp Berlin, XPdays Hamburg

Zwei Events in diesem Herbst unter dem Motto Architecture of Participation:

Barcamp Berlin

Endlich ... das erste deutsche Barcamp:
Berlin (30.9.-1.10.2006)

Barcamp Berlin

Ebenfalls vormerken: XPdays
Hamburg
(24.11.2006)

25.2.2001

Agile Softwareentwicklung

Die Autoren von Scrum, XP, DSDM, ASD und Crystal sowie einige vergleichbar erfahrene Leute einigten sich auf das Manifest für agile Softwareentwicklung:

Wir zeigen bessere Wege zur Softwareentwicklung auf, indem wir Software entwickeln und anderen dabei helfen. Wir bevorzugen:

  • Menschen und Zusammenarbeit vor Prozessen und Werkzeugen
  • Funktionierende Software vor umfassender Dokumentation
  • Zusammenarbeit mit dem Kunden vor vertraglicher Verhandlung
  • Reaktion auf Veränderung vor Einhaltung eines Plans

Das heißt, während die Punkte auf der Rechten wertvoll sind, wertschätzen wir die Punkte auf der Linken mehr.

Weitere Links

8.1.2001

Agile Prozesse

Agile Softwareentwicklungsprozesse sind zweifellos en vogue. Sie unternehmen den Versuch, die Anzahl der im Prozess zu erstellenden Artefakte weitestgehend zu reduzieren. Das bedeutet, daß sich das Gewicht eines jeden Artefakts rechtfertigen muß und auf die Erstellung und Pflege von Nebenprodukten jenseits vom Programmcode verzichtet wird, wenn das Risiko dafür gering genug ist.

Momentan dominiert Extreme Programming die Diskussion um die leichtgewichtigen Methoden. Vielleicht nicht ohne Grund, denn XP kommt mit seinen zwölf Techniken vergleichsweise konkret daher. Andererseits erfordert der Prozess jedoch hohe Disziplin im Team.

Weitere Vertreter der leichtgewichtigen Familie für Agile Softwareentwicklung sind z.B.:

Vergessen Sie bitte nicht:

  1. Softwareentwicklung soll Spaß machen. Tut sie das nicht, ist der Prozess defekt.
  2. Jedes Projekt und jedes Team ist einzigartig und benötigt damit seinen eigenen maßgeschneiderten Prozess.
  3. Der Prozess gehört dem Team. Jedes Team entscheidet selbst (akzeptiert), welche Regeln es befolgen will (und welche nicht). Mit einem aufgezwungenen Prozess kommt es oft zur Schieflage, weil Autorität und Verantwortlichkeit für den Prozess nicht einer Hand liegen.
  4. Ihr Entwicklungsprozess ist ein wanderndes Ziel. Sie sollten ihn ständig verbessern und ihn an Ihre örtlichen Begegebenheiten anpassen.
  5. Es muß nicht unbedingt XP sein. Leichtgewichtigkeit an sich kann schon ein wertvolles Ziel sein.

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